Geht es Euch auch so? Das Führen des Pferdes erhält nicht so viel Aufmerksamkeit im Alltag und Umgang mit unseren Schätzchen. Schließlich ist es in den meisten Fällen kein Problem, das Pferd von A nach B zu bewegen. Kleinere oder größere Probleme tauchen ja eher in anderen Situationen auf.
Ich fühle mich gerade von einer Schülerin inspiriert, über dieses Thema zu schreiben. Denn sie möchte sehr vorbildlich daran arbeiten, dem Pferd ein klarer „Anführer“ zu sein. Mir geht immer wieder das Herz auf, wenn ich auf Menschen treffe, die die Wichtigkeit der Grundlagen erkennen und nicht ungeduldig auf das Endergebnis hinbibbern, ohne etwas tun oder investieren zu wollen.
Auch ich arbeite mit meinem Pferden immer wieder an den Basics. Sowohl mit dem Senior als auch mit dem Youngster.
Das richtige Führen des Pferdes ist vor allem aus Sicherheitsgründen essentiell. Wir müssen beim Fluchttier Pferd immer darauf gefasst sein, dass es zu einem Scheckmoment kommt und das Pferd sich für einen Bruchteil der Sekunde – aus unserer Sicht – suboptimal verhält 😉 Daher ist die Position, in der sich das Pferd neben uns (sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite geführt) befindet, enorm wichtig. Der Pferdekopf befindet sich auf Höhe unserer Schulter. Punkt. Nicht davor (dann ist Kontrolle im Scheckmoment nicht mehr gewährleistet und man gerät sofort in die Kickzone) und auch nicht dahinter (dann habe ich das Pferd nicht mehr in meinem peripheren Sichtfeld und im Falle eines Fluchtimpulses kann ich leicht überrannt werden).
Das Sehen „aus dem Augenwinkel“ heraus beherrschen wir alle viel besser, als wir meinen. Beim Führen des Pferdes habe ich immer einen genauen Plan, wo ich hin will und gucke auch da hin! Was das Pferd neben mir mach, bekomme ich trotzdem mit, wenn es an korrekter Position läuft. Wenn ich gut bin, sehe ich an Mimik und im Muskelspiel, dass das Pferd gleich den Kopf zum Grasen senkt (Boah – das nervt ja so, wenn man dann wie ein Idiot am Strick hängt…), nach mir schnappen will (Aua!) oder seine Position so verändert, das es mir gleich auf den Fuß treten wird (das würde übrigens in der Herde nie „ passieren“).
Der Kopf bleibt immer auf Schulterhöhe. Beim Schritt, im Trab, beim Halt und beim Rückwärts richten (für ganz Sportliche: im Galopp ebenso). Das ist gar nicht so einfach und erfordert echte Führungsqualitäten: klar und verständlich in der Körpersprache sein / präzise und auf den Punkt agieren / reproduzierbares Verhalten zeigen, d.h. ich mache es immer auf die gleiche Art und Weise.
Es ist gar nicht schwer, den Pferden diese Position „beizubringen“. Es braucht ein wenig Übung, viel Konsequenz und exakte Wiederholungen. Ihr werdet sehen, wie entspannend es für die Pferde ist, wenn sie erleben, wo es „richtig“ ist und dann Führung abgeben können.
Ich verwende zum Trainieren zwischendurch immer wieder ein spezielles Halfter, das zum Einen für die Pferde sehr angenehm ist, weil es eng am Kopf anliegt und nicht hin und her rutscht (es braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, dass dann auch Signale „rutschig“ ankommen) und zum Anderen durch das flexible Band über der Nase das Lernen durch das Prinzip der “negative Verstärkung” (das heißt, ein Reiz wird entfernt, damit die Auftrittswahrscheinlichkeit von erwünschtem Verhalten sich erhöht) unterstützt. Ich führe mein Pferd übrigens immer am durchhängenden Strick, der locker in meiner Hand liegt. Meine Aufmerksamkeit ist dabei immer so hoch, dass ich im entscheidenen Moment meine Hand reflexartig schliessen kann.
Ich raten jedem Pferdebsitzer den folgenden Selbstversuch: lasst Euch mal von einem Kumpel mit geschlossenen Augen am Strick führen. Ihr werdet merken, dass die Bewegung des Strickes (durch dessen Eigengewicht) schon reicht, um Euch Impulse und Orientierung zu geben. Noch lange boevor der Strick angezogen wird.
Ist die Trainingseinheit beendet, schnalle ich um und verwende es wie ein normales Stallhalfter.
Nehmt Eure Pferde an die Hand und übt das „gute Führen“, dann klappt es auch sonst im Umgang 😉
PS: und jetzt beantworte ich auch gerne noch die “Ja, aber”-Kommentare: Natürlich erfordern enge Weg auch mal, dass Pferd und Mensch hintereinander gehen. Wir können auch mit gut ausgebildetet Pferden mal “bummeln”, sie grasen , Blätter stibitzen oder Moos schnabbeln lassen. Ihr werdet merken, dass durch die gute Vorarbeit die Aufmerksamket des Pferdes für Euch eine andere sein wird.